Psalms 4

Kapitel 4

1
[Status: Zuverlässig]
''Für den Chorleiter (Dirigenten, Singenden, Musizierenden). Mit Saitenspiel (Flötenspiel)''
Für den Chorleiter (Dirigenten, Singenden, Musizierenden) + Saitenspiel (Flötenspiel) - Wie bei den meisten Psalmen sind auch hier die Bedeutungen der Begriffe im Titel unklar; die Primärübersetzungen sind die, die sich am häufigsten in den dt. Üss. finden.

''Ein Psalm (begleitetes Lied) von (für, über, nach Art von) David.''

2Wenn (weil) ich rufe antworte mir (erhöre mich)
antworte mir (erhöre mich) - Die Rede vom „Antworten“ Gottes meint in den Psalmen häufig dessen Gebetserhörungen; so auch hier.
, oh du mein wahrer Gott (mein gerechter Gott, Gott meines Heils, Gott meiner Gerechtigkeit)!
mein wahrer Gott (gerechter Gott, Gott meines Heils, Gott meiner Gerechtigkeit - der heb. Text lässt sich entweder als Genitiv des Effekts deuten, also etwa als „du Gott, der für mich Gerechtigkeit/Heil verursacht“, oder als attributiver Genitiv, also etwa „du mein gerechter/wahrer Gott“. Da Gott in V. 3 mit anderen Götzen kontrastiert wird, haben wir der Üs. „du wahrer Gott“ den Vorzug gegeben.
In der Enge (Not) schaff mir (hast geschaffen)
tFN: schaff mir (hast geschaffen) - prekatives Qatal; so z.B. auch Gerstenberger 1988; Goldingay 2006b; Houston/Waltke 2010; IBHS §30.5.4d.
Weite (hilf mir in meiner Not)
schaff mir Weite (hilf mir in meiner Not) - „Raum schaffen, weit machen, weiten“ ist hier sicher metaphorisch zu verstehen; vgl. z.B. Zorell 1928, S. 6: „Die Hebräer sahen Gefahr als »Enge« und die Befreiung von der Gefahr als »Erweiterung«, »Zugeständnis von weiten Räumen« an.“ Die einzige wirkliche weitere Belegstelle, die man hierfür heranziehen kann, ist Ps 25,17; aber die Parallele ist so nah und die Stoßrichtung der beiden Verse so klar, dass dies in der Tat die zu wählende Übersetzung sein sollte. So auch viele Üss.
Erbarme dich meiner und höre (erhöre)
höre (erhöre) - Das „Hören“ Gottes meint in den Psalmen oft ebenso wie sein „Antworten“ Gebetserhörungen; zumal in Kombination mit dem Begriff tefillah („Flehen, Bitten, Gebet“) wie in V. 2; vgl. z.B. Schökel 1980, S. 41.
mein Flehen (Gebet)!

3{Männer}
{Männer} - Heb. bene ´isch („Söhne von Männern“). Häufig heißt es, dies meine entsprechend dem babylonischen mâr awilim und im Unterschied zum heb. bene ´adam („Söhne von Menschen“) höhergestellte Personen (daher z.B. Bonkamp 1949: „Söhne der Vornehmen“; Dahood 1965: „O men of rank“), aber an der einzigen Stelle, an der bene ´isch vorkommt und evt. diese Konnotation haben kann ( Ps 49,3), stammt diese Konnotation aus dem Kontext. Da hier der Kontext nicht in diese Richtung weist – und ebensowenig in Ps 62,10; Klg 3,33 – besser allgemein „Leute!/Männer!“. Ein solcher eine Rede einleitende Vokativ ist im Deutschen aber unüblich, weshalb man es für die Lesefassung besser streichen sollte.
Wie lange [ist] mein Herrlicher (Gott, meine Ehre)
Herrlicher (Gott, meine Ehre) - W. auf den ersten Blick „meine Herrlichkeit“; kabod („Herrlichkeit“) wird hier wohl wie oft appellativisch für JHWH verwendet, wohin z.B. die folgende Kontrastierung mit den „Lügen-gebilden und Nichtsen“ (=Götzen) in V. 3b weist. So z.B. Dahood 1965, S. 22; Goldingay 2006b, S. 171; NIV.
geschmäht (zum Schimpf)?
geschmäht (zum Schimpf) - W. „zum Schimpf“, Lamed des Zustands; vgl. z.B. KBL3, S. 484. Die Bedeutung ist schlicht „Wie lange soll das noch so gehen, dass ihr meinen Gott schmäht?“.
[Wie lange] wollt ihr Nichtiges (Leeres, Abgötter)
Nichtiges, Leeres und andere ähnliche Substantive werden in der Bibel häufiger dysphemistisch für Götzen verwendet; so auch hier; vgl. ad loc. Dahood 1965, S. 23f.; Terrien 2003, S. 97.
lieben? [Wie lange] wollt ihr Lügen (-gebilde, Götzen) anflehen (suchen)? {Sela}
{Sela} - Die Bedeutung von sela ist unklar; vgl. Lexikon/Lemma סֶלַה. In der Lesefassung sollte es daher besser gestrichen werden, da es sonst nur ein unverständlicher Fremdkörper im deutschen Text wäre.


4Wisst, dass JHWH scheidet (wirkt Wunder an, handelt wunderbar an)
Textkritik: Der Vers gibt, wie er steht, im Kontext des Psalms nicht sonderlich viel Sinn: „JHWH hat sich einen Frommen ge-/unterschieden“. Viele Handschriften haben statt hiplah („er hat geschieden“) hipla´ („er hat Wunder vollbracht/wundervoll gehandelt“), was auch LXX und Hier voraussetzen. Diese Lesart ist sicher vorzuziehen; so daher z.B. auch BB, EÜ, GN, GRAIL, HER05, LUT 84. Dahood 1965, S. 23 denkt sogar, dass es sich bloß um eine alternative Schreibung handelt.
den ihm Frommen (seinem Frommen);
den ihm Frommen (seinem Frommen) - Heb. lo („sein“/„den ihm“) lässt sich sowohl possessiv deuten („sein Frommer“) als auch „direktional“ als Angabe, wem die Frömmigkeit des Frommen gilt („der ihm Fromme“). Wg. dem Kontrast mit Götzenanbetern ist Letzteres vorzuziehen.
JHWH wird hören (erhören), wenn ich zu ihm rufe.

5[Wenn ihr]
Die Syntax und Semantik dieses Verses ist schwierig. Auf den ersten Blick scheint er zu bedeuten: „Zittert und sündigt nicht! / Sprecht mit euren Herzen in euren Betten und schweigt!“. – Weil die Imperative so schlecht zueinander passen, werden die einzelnen Glieder gerne um-interpretiert; z.B. „zittert“ als „zürnt“ (z.B. Delitzsch 1894; Kittel 1914; Schmidt 1934; Zorell 1928), was schlecht zum Kontext passt; „zittert“ als „seid voll Ehrfurcht“ (z.B. Buttenwieser 1938; Kirkpatrick 1897; Terrien 2003), was wohl nicht Bestandteil der Wortbedeutung ist; oder „schweigt“ als „heult“ (nach  דמם II, z.B. Dahood 1965; Kselman 1987b). Der Schlüssel zum richtigen Verständnis scheint zu sein, dass die beiden ersten Glieder der zwei Imperativketten („Seid erregt“ + „denkt nach“; s. nächste beide FNn) einen Gegensatz bilden und die beiden zweiten Glieder („sündigt nicht“ + „schweigt“) ähnliches thematisieren. Interpretiert man den jeweils ersten Imperativ der beiden Imperativketten als Pseudo-Imperativ, lässt sich die Sinnstruktur des Verses als hyperbatischer (=> Hyperbaton) Merismus deuten; der Vers bedeutete dann etwa „Ob ihr erregt seid oder nachdenkt: Sündigt nicht und schweigt!“. V. 5 schließt sich damit eng an an V. 3a. Als Pseudo-Imperative deuten schon R-S: „Wenn ihr euch keine Ruhe gönnet, dann sündiget doch nicht! Zerbrecht ihr euch den Kopf auf eurem Lager, dann schweiget wenigstens!“; NIRV: „When you are angry, do not sin. When you are in bed, look deep down inside you and be silent.“; NIV: „In your anger do not sin; when you are on your beds, search your hearts and be silent.“
unruhig seid (seid unruhig!, Zittert!):
unruhig seid (seid unruhig!, Zittert!) - „Zittern“ steht häufig metonymisch für den Ausdruck eines starken Gefühls; um welches Gefühl es sich handelt, muss dabei aus dem Kontext erschlossen werden (vgl. ThWAT VII, S. 328). Indiz für die hierige Bedeutung ist der Gegensatz des Wortes zu „Geht in euch!“ (W.: „Sprecht mit euren Herzen“) in der folgenden Zeile. Daher wohl am Besten „seid unruhig!“. Vgl. auch die letzte Fußnote.
sündigt nicht! [Wenn ihr] in euren Betten in euren Herzen sprecht
[Wenn ihr] in euren Betten in euren Herzen sprecht - Im Herzen sprechen = häufiger Ausdruck für „reflektieren“ (vgl. z.B. Kselman 1987b, S. 104). Mit dem „Reflektieren im Bett“ zitiert der Psalmist ein häufiges Motiv: Die Nachruhe wird in der Bibel noch öfter dargestellt als die charakteristische Zeit für das Nachdenken über Gott; s. z.B. Ijob 35,10; Ps 42,9; 77,7; 119,55.62; Jes 26,9 u.ö. (vgl. auch Booij 2008, S. 107).
(Sprecht!): schweigt! {Sela}

6Opfert Opfer dem wahren [Gott] (Opfer der Gerechtigkeit, richtige Opfer)
Opfer dem wahren [Gott] (Opfer der Gerechtigkeit, richtige Opfer) - Meist übersetzt als „Opfer der Gerechtigkeit“ oder „rechte Opfer“. Darüber, was das eigentlich sein soll, besteht keine Einigkeit in der Exegese. Besser daher: tsedeq ist zu verstehen als Appellativ für JHWH, wie er ja schon in V. 2 als der tsedeq Gott bezeichnet wurde und die Entsprechungen von tsedeq im Arabischen, Phönizischen und Ugaritischen häufiger verwendet werden (vgl. KBL3, S. 943). W. dann „Opfer des Wahren“; das des Wahren ist dann als Genitiv des Zwecks zu verstehen (vgl. z.B. A-C §2.2.8): „Opfer für den Wahren“. Vgl. die parallelen Formulierungen „Opfer der Götter“=„Opfer für die Götter“ (z.B. Num 25,2; Ps 51,19) und „Opfer JHWHs“=„Opfer für JHWH“ (z.B. Zef 1,8).
Und vertraut auf JHWH!

7[Während]
[Während] - Die Funktion von V. 7 ist wohl, einen Gegensatz mit V. 8f zu bilden: Auf der einen Seite stehen jene, die ihr Vertrauen in Gott verloren haben und daher auch kein Heil erfahren; auf der anderen der Psalmist, der in V. 9 seinem Vertrauen in Gott Ausdruck verleiht und dem folgerichtig Gott in V. 8 auch Heil zuteil werden lässt. In der LF sollte das besser durch ein „Während“ o.Ä. ausdrücklich gemacht werden.
viele sagten: „Wer wird uns Gutes erfahren (sehen) lassen (Lass uns Gutes erfahren!
Lass uns Gutes erfahren! - Theoretisch möglich: Deutung der rhetorischen Frage als Wunschsatz; so z.B. Goldingay 2006b, S. 167; Warren-Rothlin 2007, S. 66; Dav §135; HKL III §354g
) [Wo doch]
[wo doch] - V. 7b soll offenbar das Motiv hinter dem mangelnden Vertrauen der »Vielen« in Gott in 7a nennen; übersetze daher »da...«, »wo doch...« o.Ä.
geflohen ist
Textkritik:  נְסָה muss emendiert werden. Meist wird es emendiert zu  נְשָה (»erhebe!«, so z.B. Craigie, Houston/Waltke, einige Üss.); vorzuziehen ist aber  נָסָה (»geflohen ist«, so Dahood 1965, S. 26; Driver 1951, S. 247; Schökel 1980, S. 38)
von über
tFN: von über - Zu dieser Bed. von `al vgl. z.B. Driver 1951, S. 247.
uns das Licht deines Angesichts
Das »Licht des Angesichts« JHWHs ist eine häufige Metapher im AT. Sie geht wohl darauf zurück, dass man sich JHWH ursprünglich (auch) als einen Sonnengott vorstellte (vgl. DDD, S. 917f.; Gierlich 1940, S. 141; Taylor 1993, S. 233ff.). Wenn dieses »lichte Angesicht« Gottes auf jmdn. »herableuchtet«, bezeichnet dies den wohlwollenden Blick JHWHs, aus dem gute Wirkungen für den Angeblickten entspringen (vgl. z.B. Gierlich 1940, S. 141f.). Der Sinn des Verses ist damit: »Viele sagen: 'Wer tut uns Gutes - jetzt, wo du uns nicht mehr wohlgesonnen bist, oh JHWH!?«
, oh JHWH!“

8Du hast gegeben (erfüllt, gib!) Freude in mein HerzZur Zeit (mehr als zur Zeit), als {ihr}
tFN: {ihr} - Vermeintliche Personalpronomen verstanden als enklitische Mems (vgl. z.B. IBHS §9.8).
Korn und {ihr} Wein zahlreich war (wurde).

In Frieden kann (werde) ich mich hinlegen und sofort
sofort - Vgl. CDCH, S. 151:  יַחְדָּו: „(almost) contemporaneous activity, modifying two verbs [...] I both lie down and sleep Ps 4,9.“
einschlafen denn du, oh JHWH, lässt mich ruhen (wohnen) allein (ungestört)
Drei Interpretationen sind möglich: # „Du allein, JHWH, lässt mich in Sicherheit wohnen“ # „Du allein bist JHWH und lässt mich in Sicherheit wohnen“ # „Du, JHWH, lässt mich allein und in Sicherheit wohnen“. Die Kombination von „allein, abseits“ und „wohnen“ dient fast immer zum Ausdruck des Motivs des „abseits-Wohnens“, was - wie ja auch hier durch die Parallelität zu „sicher“ deutlich wird - häufig auch die Konnotation des sicheren Wohnens annimmt (vgl. z.B. Num 23,9; Dtn 33,28), daher ist Variante 3 vorzuziehen.
, [und] in Sicherheit (sicher).
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